Merkel - Wolf im Schafspelz

Außen hui, innen pfui. CDU im Tschador.


Es heisst, diese Fotomontage soll Ängste schüren. Mal abgesehen davon, dass dieses Bild von der dämlichsten ARD-Sendung des Jahres in die Welt gesetzt wurde, verstehe ich nicht ganz, warum dieses Bild Ängste schüren soll. Als wären wir im Kindergarten und spielten 'Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann'. Diese Frau wird weiterhin Europa abschotten, Freihandelsabkommen abschließen, Waffenexporte zulassen und Kartoffeln essen. Und der Tschador symbolisiert höchstens die  'Verschleierung' ihrer Politik. Sowas nennt sich Wolf im Schafspelz! Angst sollten daher - wenn überhaupt - die ganzen Flüchtlinge, Marginalisierte und Mehrheimische in Deutschland haben.






Gaza: Destructive Reconstruction

von Stefanie Felsberger*


Shuja’iyeh, an area close to the border zone between Gaza and Israel, which was destroyed during Protective Edge. ©Mark McGuinness
















"Palestinian leader Mahmoud Abbas told a summit in Egypt that cash was ´insufficient´ without a 
politicial solution. Israel, which has been fighting Gaza militants, refuses to allow building materials into Gaza for reconstruction. [...] Hamas [...] was not invited to attend the one-day conference. [...] All but essential supplies are still subject to Israeli blockades at the crossing points into Gaza. Building and raw materials deemed by Israel to be useful to militants as well civilians have been banned." BBC News




This statement seemingly many of the reasons why Gaza has been forced to remain in a state of destruction and devastation since Operation Protective Edge which took place in summer 2014. In reality, the above was written in 2009, after Operation Cast Lead. Sadly, I could have started this text with a similar quote from 2006, 2011, or 2014. In all of these years Israel launched devastating operations against Gaza and its people, leaving death and destruction.

„Friedensprojekt“ Europa: Eine zynische PR-Kampagne

CC by 3.0: Pawel Ryszawa


von Paul Winter*

Von Accra, Bamako bis Kiev, Lampedusa und Tripolis, von 1989 bis heute: Die Realpolitik Europas ist kein „Friedensprojekt“, sondern ein imperiales Vorhaben gekleidet in eine friedenspolitische PR-Kampagne. Pragmatismus und handfeste Eigeninteressen sind seit jeher der wahre rote Faden europäischer Politik.

Am 19. April 2015 ertranken über 800 Flüchtlinge unmittelbar vor den Toren der Festung Europa. Dieses Ereignis ist die (bislang) größte Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer und keinesfalls ein bedauerlicher Einzelfall. Erinnern wir uns zurück: Die Herrschenden Europas übten sich damals im Aufsetzen bestürzter Mienen, sie gaben sich staatstragend in öffentlichen Auftritten und versicherten eine Besserung der Lage. Passiert ist fast nichts.

Buch der Woche: Gespräche über Rassismus




Eine Rezension von Tunay Önder
So meine Damen und Herren, es gibt wieder Lesestoff. Will sagen, ein Buch, das es zu lesen lohnt, frisch aus der Druckerei und vor allem voller frischer, erhebender Gedanken. Nachdem meine Rezension nicht in der Süddeutschen erscheinen wird, sag ichs mal ganz unverblümt: Hier sprechen Kanacken über Dinge, die sie selbst - aber nicht nur sie selbst - substantiell betreffen und interessieren, aus einer dezidiert postmigrantischen Perspektive, ohne sich dem Integrationsparadigma zu unterwerfen und vor allem ohne Rücksicht auf die herrschenden Normen des deutschen, öffentlichen Diskurses. Das tut dermaßen gut, man könnte meinen, die mobilisierende Macht der Worte in den Muskeln zu spüren! Ich übertreibe, aber es ist wahr. 
Die Produktion dieses Buches und die ganze Aufmachung kommen so bescheiden daher und stehen in so krassem Gegensatz zu dem, was drin steht, dass man sich fragt, ob das System hat. Es ist das erste Buch des Verlegers Koray Günay. Auf seiner Verlagshompage behauptet er, den Verlag als eine Art Hobby zu betreiben und entschuldigt sich dafür, aufgrund seines Türkeiurlaubs die nächsten sechs Monate schwer erreichbar zu sein. Interessanter Ansatz. Klingt nach: minimal move, maximal groove. Da wünscht man sich, alle Verleger_innen dieser Welt würden nur hobbymäßig ihrer Arbeit nachgehen.
          Kommen wir zu den Details! Gespräche über Rassismus heißt der Titel des Buches. Und das führt auch schon zur ersten Überraschung, denn obgleich der Inhalt tatsächlich aus einer Niederschrift von Gesprächen und Interviews besteht, wird ziemlich schnell klar, dass hier keine einfachen Gespräche geführt werden, sondern Interviewtexte abgedruckt sind mit Hard Facts und wissenschaftlichem Anspruch. Das bestätigt in ausgezeichneter Weise die Annahme, dass das Gedankengut anderer nicht allein über die Lektüre ihrer Fachtexte zugänglich ist, sondern sich in vollem Umfang erst durch gute Interviews und Gespräche erschließt, in denen man in dialogischer Form etwas über die Biographie und Aktivitäten der Autor_innen erfährt.
         Ob das nun tatsächlich die Motivation der beiden Herausgeber Zülfükar Çetin und Savaş Taş für diese Form der Publikation war, weiß ich nicht, jedoch deutet einiges darauf hin. Die beiden Herren scheinen ihre bisherigen geistigen Auseinandersetzungen darauf verwendet zu haben, einen kritischen Habitus auszubilden. Anders kann ich mir deren Promotionsprozess zum Thema Ideologie des türkischen Staates oder Homophobie und Islamophobie nicht vorstellen. Zudem scheint sich an der Alice-Solomon-Hochschule (ASH), an der beide lehren und forschen, mittlerweile ein bemerkenswertes Netzwerk etabliert zu haben, zumal etliche Gesprächspartner_innen im Buch hier angedockt sind wie zum Beispiel Professorinnen wie Iman Attia und María do Mar Castro Varela oder Wissenschaftler_innen wie Halil Can oder Yasemin Shooman. Auf rund 220 Seiten und 17 Beiträgen werden sämtliche aktuelle Aspekte des Rassismus verhandelt: Von Antiziganismus, antimuslischem Rassismus bis hin zum intersektionalen Rassismus und dessen Zusammenhang mit Ökonomie, Kapitalismus und Klassismus. Hochaktuell und spannend ist der mit zahlreichen Photos versehene Beitrag von Ayşe Güleç zur Bild- und Raumpolitik im Zusammenhang mit den NSU-Mordfällen. Auf den Aufnahmen sieht man vor allem Bilder, die vom Widerstand gegen Rassismus zeugen: Der Halit-Platz in Kassel, die Straßenumbenennung der Holländischen Straße in die Halit-Yozgat-Straße, die Kasseler Massendemonstrationen "Kein 10. Opfer", die Reden und Ansprachen des Vaters und dessen öffentlicher Aufruf zur Demo.
             Die Texte vereinen, trotz ihres Wesens als geschriebenes Wort, Theorie und Praxis; sie schaffen - zumindest teilweise - Platz für neue, andere, alternative Narrationen und Perspektiven auf ein und dieselbe Welt und deren Geschehnisse.
Nehmen wir ein Beispiel. Das beste Beispiel. Anna-Esther Younes im Gespräch mit Zülfükar Çetin. Betitelt ist das Gespräch mit Die Anderen der Anderen - Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus in Deutschland heute. Wer die junge Frau Younes schon mal hat sprechen sehen, wird ihre Stimme beim Lesen in den Ohren widerklingen hören. Scharfsinnig, kompromisslos und entschieden. Diese Power ist unerlässlich, denn es geht um ein Thema, dessen Definitionsmacht die Deutschen meinen auf ewig gepachtet zu haben: Antisemitismus und - Achtung Minenfeld! - Israelkritik. Wen es schon immer genervt hat, dass man sich als Einwandererkind aus den ehemals osmanischen Gebieten in Deutschland nun die historische Schuld aufbürden und die kolonialen Projekte der Deutschen gutheißen muss, wird dieser Beitrag besonders erfreuen, weil er andere Pespektiven aufzeigt. Hier werden Zusammenhänge sichtbar gemacht und öffentliche Diskurse in einem größeren, historischen Kontext betrachtet. Das ist sehr erhellend. Man erinnere sich an die Antikriegsdemos im Sommer 2014 gegen den Gazakrieg, die hauptsächlich von Palästinenser_innen und Türkeistämmigen initiiert und anschließend von den mehrheitsdeutschen Medien als antisemitisch disqualifiziert wurden, - während im Hintergrund die Figur des Muslims als "nicht-integrierbar" durch mediale und politische Diskurse und Maßnahmen stetig weitergezeichnet wurde und wird. Kurzum: Man wirft einer Gruppe Antisemitismus vor, ist aber selbst hochgradig rassistisch. Anna-Esther Younes schafft es auch, die gegenwärtigen Reste der deutschen Ideologie der rassischen Überlegenheit aufzuzeigen, wenn etwa partikulare Erfahrungen zu einer universellen Menschheitserfahrung erhoben werden, wie es in Deutschland der Fall ist. Wobei man sich mit den Worten von Younes fragt: Warum die Genozide an den Herero, Nama und Maji-Maji nicht zu einer Generalerfahrung Deutschlands oder der Menschheit werden konnten? Hier wird mehr als deutlich, was es heißt, in einem Einwanderungsland als Kind von Einwanderen geboren zu sein, hier zu leben und nur eine Geschichte zu kennen, die vermeintlich zählt: die deutsch-deutsche (Schuld-)Geschichte. Daher bleibt perspektivisch tatsächlich nur eines zu klären, nämlich wie man einen Universalismus des Antirassismus schaffen kann, ohne andere Erfahrungen zu marginalisieren oder zum Schweigen zu bringen. Das Buch "Gespräche über Rassimus. Perspektiven & Widerstände" trägt mit Sicherheit seinen Teil dazu bei.

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Gespräche über Rassismus. Perspektiven & Widerstände. Herausgegeben von Zülfükar Çetin und Savaş Taş. Erschienen im Verlag Yılmaz Günay, 224 Seiten, 15 Euro, ISBN: 978-3-9817227-1-0, Bestellung direkt beim Verlag.



 

aktueller bericht aus münchen in fast jambischem prosa versmaß, teil 138




Ich sehe nicht so aus, als wäre ich von Armut betroffen und fühle mich auch nicht so. Aber einiges lässt drauf schließen. Ich habe einen guten Freund gefragt, ob es denn wohl sein könnte, dass ich von Armut betroffen bin. Er war fest überzeugt davon, dass ich von Armut betroffen bin, was mich wiederum enttäuschte, denn wie gesagt, ich fühle mich in keinster Weise arm. Ich trage gerne zerrissen Klamotten, kaputte Schuhe, Seconhhandware, zersauste Haare und so Sachen. Aber das ist halt auch Mode. Die Generation von meinem Vater hätte das noch als Indiz für Armut gesehen. Aber natürlich ist das hier und heute kein Indiz für Armut. Clochard- und Straßenkinderklamotten sind Couture.



Wenn ich anfange mir ernsthaft Gedanken zu machen, über die Formen meiner Existenssicherung, dann wird ziemlich schnell deutlich, dass die Art wie ich wirtschafte, in keiner Weise kostendeckend ist und gewinnbringend schon gar nicht. Ich habe keinen Sinn dafür gewinnbringend zu arbeiten und das wurde mir auch nie beigebracht. Nicht einmal, dass es bedeutsam sein könnte. Meine Eltern haben zwar immer vorbildlich gearbeitet, um Geld zu verdienen, so dass mir der Zusammenhang zwischen Arbeiten und Geldverdienen durchaus klar ist, aber das stellt sich in meinem Beschäftigungsfeld, wie man so schön sagt, da stellt sich dieser Zusammenhang einfach nicht her. Ich dachte mit Bildung kommt Geld. Das ist aber falsch. Meine Eltern glaubten fest, dass mit Bildung Geld kommt. Leider kann ich ihnen das an meiner eigenen Person widerlegen. Früher hat wenigstens noch körperliche Arbeit Geld gebracht. 



Fabrikarbeit in den 60er Jahren, das waren Goldene Zeiten. Als ungelernter Arbeiter hat mein Vater zu seiner Zeit mehr verdient als ich es mir für die nächsten Jahre je vorstellen kann. Und nach Rückkehr aus dem 6 wöchigen Türkeiurlaub hat er dann auch noch gesagt: so jetzt erstmal in aller Ruhe arbeiten gehen und sich von dem ganzen Urlaubsstress erholen. Wie ist das möglich? Ich darf mich den ganzen Tag bilden und bin vollkommen erledigt, schon am späten Nachmittag.



Ich hatte vielmehr Bildungschancen als er, ich habe studiert, ich habe staatliche Förderung erhalten (und mich dennoch hoch verschuldet), ich habe mich auch kulturell gebildet, bin viel rumgereist, beherrsche mehrere Sprachen perfekt, kann mich in unterschiedlichen Milieus bewegen und artikulieren. Und? Ich bin nicht aufgestiegen. Ich bin abgestiegen! Ich habe immaterielles Kapital, das ich nicht in Geld umwandeln kann. Und sitze nun da und schreib in mein Tagebuch.



Meine Überlebensstrategie dieser Tage lautet: Aus der Not mach eine Tugend. Zu wenig Geld führt zu mehr Bewusstsein. Ich kaufe wenig ein. Kein Dach überm Kopf führt zu Reduktion von Eigentum. Nur das Wesentliche zählt. Ich besitze kaum mehr irgendwelche Güter, weder Möbel, noch Geschirr, noch sonstige Wohngegenstände. Einige wenige Objet Trouve sind verteilt in den Kellerabteilen meiner Eltern, von Verwandten und Bekannten und in der Scheune vom Schrebergarten. Alles ist ausgerichtet auf Umzug oder Abriss der Zelte. Das sind wohl die Nachwirkungen meiner geflüchteten Vorfahren. Dafür habe ich aber ein Verständnis von Freiheit. Ich habe nichts, also bin ich! So lässt es sich zumindest geruhsam schlafen.

 



Dunkle Wolke sorgt für Sonnenschein

Interview mit Pınar Karabulut über ihre Inszenierung INVASION! auf dem Theaterfestival Radikal Jung.


Die junge Regisseurin Pınar Karabulut zeigt am 20. und 23. April ihre Debütinszenierung INVASION! am Münchner Volkstheater auf dem Festival Radikal Jung, zusammen mit Arbeiten 12 anderer junger Regisseure.

Dunkle Wolke mit Salzstreuer, Foto: Abulkasem


Es ist ein kluger Schachzug gewesen vom Schauspiel Köln, die junge Regisseurin Pınar Karabulut als Assistentin anzustellen. Schon mit ihrer ersten Inszenierung INVASION! von Jonas Hassen Khemiri, hagelte es Lob und Anerkennung. Kulturkritiker fanden ihr Debüt großartig und offensichtlich auch die Jury des Münchner Theaterfestivals Radikal Jung. So kehrt Karabulut, was auf türkisch dunkle Wolke bedeutet, zum Heimspiel an den Ort, wo ihre Theaterkarriere begann, und sorgt für sonniges Wetter. Hier vorab schon mal ein Interview mit Pınar über die substantielle Bedeutung von i-Tüpfelchen, Kamikaze-Proben und Identitätszuschreibungen.


Pınar, nervt es dich eigentlich, dass die Leute hierzulande das stumme ı in deinem Namen ignorieren und sogar das r an Ende weglassen und dich manchmal einfach nur noch Pina (wie Pina Bausch) rufen?

Abgesehen davon, dass ich Pina Bausch toll finde, kommt es immer drauf an. Je nach dem Grad an Liebe, die ich für die jeweilige Person empfinde, kann ich drüber hinwegsehen, sogar schmunzeln. Andernfalls folgt stets eine 7 minütige Abhandlung über Interkultur und Respekt. Das ist harte Aufklärungsarbeit, das ich ehrenamtlich leiste. Das gute daran ist, dass ich dadurch gelernt habe Vorträge aus dem Stegreif zu halten.

Das kommt mir bekannt vor. Die Not hat deine theatralen Sinne geweckt...

Absolut.

Rührt daher auch die Textauswahl für deine Inszenierung, die jetzt bei Radikal Jung gezeigt wird.

Ja, INVASION! verweist auf ähnliche Erfahrungen, die der Autor Jonas Hassen Khemiri erlebt haben muss.

Worum geht es in INVASION! ?

Es ist eine dramatische Abhandlung, das sich mit Identitätszuschreibungen und -konstruktionen befasst. Mich hat schon immer die Tatsache beschäftigt, dass Identität einem ständig von außen zugeschrieben wird. Das kennt ja jeder von uns. In einer interkulturellen und rassistischen Gesellschaft haben manche Menschengruppen ganz besondere Erfahrungen damit gesammelt, von negativen Zuschreibungen bestimmt zu werden, dunkelhäutige Ausländer, Papierlose, Geflüchtete...

Im dem Sinne, dass sie in Sprech- und Zuschreibungshandlung involviert sind, die voller Gewalt sein können...

...ja, Khemiri hat mal in einem Interview gesagt, dass die Wörter, die man benutzt, also die eigene Sprache gegen einen verwendet werden kann. Diese Aussage gewährt schon mal einen Einblick in die Abgründe, die sich durch Sprache auftun. Sprache scheint mir daher etwas ambivalentes, mächtiges, konstruktives und destruktives zugleich.

Wie geht Khemiri in dem Text damit um?

Er spielt mit der Ambivalenz der Sprache und führt dich damit hinters Licht. Er nutzt eine ganz einfache Sprache und verhandelt aber ganz fundamentale Dinge. Er schafft es, mit der Figur Abulkasem das ganze Repertoire an Zuschreibungen, Vorurteilen, Klischees und Umdeutungsstrategien zu vermitteln.


Stellt Abulkasem einen Kanaken dar?

Sagen wir mal so, Abulkasem ist eine zentrale Figur in dem Stück, die Fragen aufwirft, Vorstellungen evoziiert, verwirrt, den Spiegel vorhält, verunsichert und zum Lachen bringt. Anders formuliert: Er ist das Problem und die Lösung zugleich.

Eine utopische Figur!

Übertreib mal deine Rolle nicht, würde Jilet Ayşe jetzt sagen. Aber ja, du hast recht, da ist was dran.

Hast du auch mal mit dem Gedanken gespielt etwas klassisches zu inszenieren, Shakespeare oder so?

Ich liebe dramatische Texte, von daher liegt Shakespeare nicht so fern. Aber ich wollte etwas, das mich explizit berechtigt diesen Text zu inszenieren. Nina Rühmeier, die Dramaturgin, mit der ich zusammenarbeite, hat mich aufmerksam gemacht auf den Autor Khemiri. Ich habe dann INVASION! von ihm gelesen und wusste sofort: das ist es! Es war also Liebe auf den ersten Blick und dann war die Sache auch schon entschieden.

Achour und Schlott in der Dolmetscherszene, Foto: Martin Misere


Und wie ging es dann weiter?

Hart, weil die Arbeit an der Inszenierung parallel zu meiner Arbeit als Regieassistentin am Schauspiel Köln lief.

Das klingt nach einer 80 Stundenwoche.

So ungefähr. Der Vorteil ist natürlich, das das im Rahmen der Werkstücke lief, einem Programm hier am Schauspiel Köln, in dem Regieassistenten die Möglichkeit haben, selbst zu inszenieren oder Stücke zu entwickeln. So eine Möglichkeit ist schon was besonderes. Trotzdem musste ich nebenher zwar viel arbeiten, hatte dafür aber auch direkten Kontakt zum Ensemble, zur Dramaturgie, Bühne, Kostüme, Technik.

Das heisst, die Schauspieler_innen sind alle vom Ensemble?

Mohamed Achour und Magda Lena Schlott sind vom Ensemble. Nicolas Streit und Thomas Brandt sind von der Leipziger Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy". Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Schauspiel Köln und der Leipziger Hochschule haben wir also auch junge Nachwuchsschauspieler am Haus, die ich für mein Projekt überzeugen konnte.

Wie lang muss man proben, um bei Radikal Jung auf Anklang zu stoßen?

Wir haben auf Kamikaze-Proben gesetzt, das heisst sehr kurze und intensive Proben. Wir hatten nicht viel Zeit. Da muss man genau wissen, was man will und jeder muss voll Bock drauf haben. Das war gottseidank der Fall. Und unter Druck erzielt man manchmal - nicht immer - ziemlich gute Ergebnisse. An einem der wenigen Probentage hatte die Bühnentechnik von der Grotte, in dem wir geprobt haben, die Stühle völlig falsch montiert. Sie waren alle wie für ein Kino in den Boden geschraubt, so dass wir nur einen Meter frei hatten, um da zu proben. Zuerst dachte ich, ich Dreh durch, weil so schnell konnte man diese Bestuhlung ja auch nicht mehr umändern und wir waren echt unter Zeitdruck. Naja, dann haben wir eben auf einem 1 Meter breiten Streifen geprobt. Das war dann eine unserer besten Probe. Da haben wir dann die Szene geknackt.

Ab jetzt also nur noch auf einem Quadratmeter proben, für beste Ergebnisse...man ist es ja vom Wohnen auf engstem Raum gewohnt.

42qm zu viert. Standard.  

Wann und wo hatte das Stück denn Premiere?

Das war am 12. November 2014 in der Grotte in Köln. Das ist eine kleine aber feine Bühne vom Schauspiel Köln, die aus zusammengesteckten Containern besteht. Da weht ein bisschen Off-Wind, was ich als sehr angenehm empfinde.

Brandt und Streit in IVASION! - Grotte/ Schauspiel Köln, Foto: Martin Misere

Wird das Stück auch an anderen Häusern gezeigt?

Ich habe 30.000 Mails an verschiedene Personen in Theaterhäusern geschrieben. Rein statistisch müsste es in naher Zukunft etwa 30 Aufführungen geben.


Grandios. Haben denn die Champagnerflaschen geknallt als du von der Einladung zu Radikal Jung erfahren hast?

Zu meinem Erstaunen ist das ist alles sehr unglamourös abgelaufen. Das Planungsbüro von Schauspiel Köln hatte schon mit der Reiseplanung für das Gastspiel bei Radikal Jung begonnen, als ich von der Sache erfuhr. Ich hatte tatsächlich aber noch keine Zeit, auf unsere Einladung anzustoßen. Champagner gibt's dann in München, besser Kir Royal!

Es könnte also sein, das dein Stück erfolgreich verreist und du hinterherwinkst?

Wäre mir nicht unrecht. Hauptsache bahnbrechender Erfolg!

Da muss ich gleich an deine Studien- und Assistenzzeit in München denken, in der alles seinen Anfang nahm. Errinnerst du dich noch an dein erstes Stück, das du gesehen hast?

Ich weiß es noch genau: OTHELLO von Luc Perceval an den Münchner Kammerspielen. Das hat mich so geflasht. Da wusste ich, du bist hier richtig in dieser Stadt. In München habe ich zum ersten Mal Formen von Theater kennengelernt, die mich interessiert haben.

Das heisst, du warst viel im Theater und wenig im Hörsaal?
Naja, mein Studium war ja sehr wissenschaftlich orientiert. Aber die Praxis ist ja auch wichtig. Das habe ich dann über das Assistieren erlernt und dadurch, dass ich mir viele Stücke angesehen habe.

Was bringt so ein Studium der Theaterwissenschaften eigentlich für jemanden, die als Regisseurin arbeiten möchte? Ist das nicht einfach nur trockene Theorie ?
Zum Großteil schon, aber ich persönlich möchte es nicht missen. Gerade in der Geisteswissenschaft wird man sehr streng dazu erzogen, wie man an Dinge herangeht, wie man recherchiert oder auch wie man Kunst im Allgemeinen wahrnimmt. Diese Herangehensweise ist eine ganz andere als am Theater, aber gerade deswegen, eröffnet sich manchmal ein anderer Blick auf die Dinge.


Du hast öfter bei der Regisseurin Christine Umpfenbach assistiert. Bei ihrem Stück "Gleis 11" zur Gastarbeitergeschichte sind wir uns zum ersten Mal begegnet, gell?
Ja stimmt. Christine's Theaterprojekte sind eben immer auch Begegnungsorte, Knotenpunkte oder sagen wir soziale Skulpturen, in denen unterschiedllichste Menschen zusammenkommen.

Hat sie dich in deiner Theaterarbeit beeinflusst?
Ich hoffe doch. Ich mag ihre dokumentarischen Arbeiten sehr. Ich bin froh, dass ich meine allererste Regieassistenz bei Christine Umpfenbach machen durfte, weil mir das gezeigt hat, wie man durch Proben mit Geduld, Empathie und der richtigen Dosierung von Ansagen, großartige Projekte hervorbringen kann. Als Christine nach Köln gekommen ist, um sich INVASION! anzusehen und ihr der Abend gefiel, war das das größte Lob.

Und das größte Glücke wäre im Maxim-Gorki unter der Intendanz von Şermin Langhoff und Jens Hillje zu inszenieren, stimmt's?

Şermin Langhoff hat mit dem gegenwärtigen Maxim-Gorki-Theater eine Utopie verwirklicht, in der ich mich nur allzu gern aufhalten würde. Allein schon die Zusammensetzung vom Ensemble ist super.

International ist mittlerweile aber auch das Ensemble anderer Theaterhäuser...

...ja, aber wenn wir ehrlich sind, ist da nur eine ganz bestimmte Kategorie an Ausländern vertreten: Belgier, Holländer, Schweizer, sogar Südafrikaner (!), aber weisse natürlich. Im Maxim-Gorki sieht man Schwarzköpfe und genau das finde ich gut. Und Şermin Langhoff ist mit Abstand die coolste Intendantin, weil sie es als Kanakin und Frau an diese Position gebracht hat. Sie ist Godmother of Theater, ganz klar.

Ve ledalin amin.






blockupy nachtrag

Demonstrieren ja,
Gewalt nein,
also gewaltfrei demonstrieren,
Gewalt nein, frei ja.
Frei unbedingt sogar,
freie Demokratie und so,
freie Meinungsäußerung und so,
Freiheit eben,
weisst schon,
Kein Kopftuch,
kein Unterdrückung,
sondern beinfrei,
bauchfrei,
oben ohne,
halb nackt,
alles frei,
und ja keine Tücher,
ja keine Tücher im Gesicht!!!

Von der Kunst des politisch korrekten Rassismus

Titelblatt der Berliner Zeitung vom 8.Januar 2015


Die Berliner Zeitung hat am 8. Januar auf ihrem Titelblatt aus Versehen eine antisemitische Karikatur veröffentlicht. Das tut den Blattmachern sehr leid - denn eigentlich wollten sie bloß islamophobe Karikaturen veröffentlichen. Dieser Irrtum lässt tief blicken in die ideologischen Mechanismen einer Gesellschaft, in der Antisemitismus selbstverständlich geächtet, antimuslimischer Rassismus aber unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit noch immer zum guten Ton gehört.

Vom „Kalifat“ in den 11. Pariser Bezirk: Die Rückkehr des Krieges



von Hannes Hofbauer*

Was schwirren nicht für Ansätze zur Erklärung des schrecklichen Attentats gegen die Redaktion des französischen Satireblattes „Charlie Hebdo“ durch die Medien! Die unterstellten Motive reichen von religiösem Fanatismus über verletzte Gottesfurcht bis zur gerächten Prophetenlästerung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei die Mohammed-Karikaturen, die das Wochenblatt seit Jahren publiziert und damit seinen anti-religiösen Charakter unterstreicht. Diese Karikaturen sollen radikale Muslime zur Untat provoziert haben, die mit ihnen einhergehende Ehrverletzung des Propheten Mohammed sei gerächt worden, wie es einer der Mörder laut Zeugin in perfektem Französisch gerufen habe. Für eine oberflächliche Betrachtung mag eine solche Analyse ausreichen, Hintergründe der Tat werden damit allerdings nicht erhellt.

Vom Gastarbeiterkind zum Reiseadel

Es gibt nichts idiotischeres als Tourist zu sein in Kapstadt. Hier ist man kein Gastarbeiterkind mehr, sondern Angehörige des Reiseadels.